Kleines oder Mittleres Wertpapierinstitut?

Artikel 12 der IFR definiert Bedingungen, die alle erfüllt sein müssen, damit ein Institut als „Kleines Wertpapierinstitut“ eingestuft wird.

Darunter gibt es die sog. Nullwerte (Art. 12 Abs. 1 Buchstaben c, d, e, f und g IFR). Bei diesen gibt es keine zahlenmäßigen Schwellen, die über- oder unterschritten werden könnten. Es handelt sich um Erlaubnistatbestände, die durch die Bafin-Zulassung eines Vermögensverwalters von vornherein ausgeschlossen sind. Wird hier die „Null“ nicht eingehalten, handelt es sich um eine Erlaubnisüberschreitung. Die Nullwerte müssen also nicht weiter analysiert werden.

Wichtig sind die sog. Schwellenwerte (Art. 12 Abs. 1 Buchstaben a, b, h und i IFR). Dies sind

  • die AUM (Assets under Management), die unter 1,2 Mrd. Euro liegen müssen,
  • die COH (bearbeitete Kundenaufträge), die bei Kassageschäften unter 100 Mio. Euro pro Tag und bei Derivaten unter 1 Mrd. Euro pro Tag liegen müssen,
  • die Bilanzsumme, die weniger als 100 Mio. Euro betragen muss sowie
  • die jährlichen Bruttogesamteinkünfte aus Wertpapiergeschäften, die weniger als 30 Mio. Euro betragen müssen.

Wie sich diese Werte berechnen, ergibt sich aus Art. 12, 17 und 20 IFR. Für die Einstufung als Kleines Wertpapierinstitut darf kein einziger dieser 4 Schwellenwerte überschritten werden.

Was passiert bei Überschreitung eines Schwellenwertes?

Wird einer dieser 4 Schwellenwerte überschritten, gilt das Institut nach Ablauf von 3 Monaten ab dem Datum, an dem der Schwellenwert überschritten wurde, nicht mehr als kleines Wertpapierinstitut. Das Datum der Überschreitung ist der Tag, an dem die Überschreitung festgestellt wurde. Ab diesem Tag beginnt die 3-Monats-Frist zu laufen.

Jede Überschreitung ist der BaFin unverzüglich mitzuteilen. Unverzüglichkeit wäre aber auch noch gegeben, wenn man die Überschreitung am nächsten Geschäftstag mitteilt. Trotzdem beginnt die 3-Monats-Frist am Tag der Feststellung der Überschreitung zu laufen.

Beispiel:

Der Aufsichtsrat der VV-AG tritt am Freitag, den 24.04. zusammen und führt seine jährliche Bilanzsitzung durch. Dazu liegt der Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk vor. Der Aufsichtsrat billigt den Jahresabschluss, der damit festgestellt ist.

Mit der Feststellung ist die neue Bilanzsumme als Schwellenwert zugrunde zu legen. Diese betrug im Vorjahr nur 98 Mio. Euro. Der neue Wert liegt bei 102 Mio. Euro. Der Vorstand der VV-AG teilt der BaFin am Montag, den 27.04. die Überschreitung mit. Die 3-Monats-Frist begann am Tag der Feststellung, also am 24.04., zu laufen. Sie endet mit Ablauf des 24.07. Ab dem 25.07. gilt die VV-AG als Mittleres Wertpapierinstitut und hat somit die dafür geltenden Vorschriften einzuhalten.

Wann sind die einzelnen Schwellenwerte zu messen?

Bilanzsumme

Es ist immer der letzte festgestellte Jahresabschluss zugrunde zu legen. Das Datum der Überschreitung dieses Schwellenwertes ist somit immer der Tag der Feststellung des Jahresabschlusses. Dies ist bei einer Aktiengesellschaft der Tag, an dem der Aufsichtsrat per Beschluss den Jahresabschluss billigt (nicht der Tag der Hauptversammlung). Bei einer GmbH dagegen ist es der Tag, an dem die Gesellschafterversammlung den Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses fasst. Die 3-Monats-Frist beginnt und endet wie im Beispiel oben dargestellt.

Bruttogesamteinkünfte aus Wertpapiergeschäften

Maßgeblich ist der Posten „Provisionserträge“ aus der Gewinn- und Verlustrechnung abzüglich aller Beträge, die nicht aus Wertpapiergeschäften stammen (z.B. Finanzierungs-, Versicherungs- oder Immobilienvermittlung). Zugrunde zu legen ist der Durchschnitt aus den beiden letzten festgestellten Jahresabschlüssen. Somit sind das Datum der Überschreitung und damit Beginn und Ende der 3-Monats-Frist wie bei der Bilanzsumme zu berechnen.

AUM

Die AUM sind jeweils am 1. Geschäftstag eines Monats zu ermitteln. Dass sie von Kleinen Wertpapierinstituten nur einmal im Jahr (von Mittleren Wertpapierinstituten vierteljährlich) an die Bundesbank zu melden sind, spielt keine Rolle. Intern sind sie monatlich zu ermitteln. Dies ist natürlich nur dann brisant, wenn man von der Überschreitung des Schwellenwertes nicht Lichtjahre entfernt ist. Wählt man die vereinfachte Methode nach Art. 12 IFR (alternativ zum Regelfall nach Art. 17 IFR), bildet man den Durchschnitt aus den Monats-Endwerten der jeweils vorangegangenen 12 Monate. Somit kommt die Feststellung einer Überschreitung dieses Schwellenwertes einmal im Monat in Betracht. Das Datum der Überschreitung/Feststellung ist der 1. Geschäftstag des Monats.

Beispiel

Am Montag, den 02.09. stellt der Vorstand der VV-AG fest, dass durch Einbeziehung der AUM mit Stand vom Freitag, den 30.08. der Schwellenwert überschritten wurde. Er teilt dies der BaFin mit Schreiben vom 03.09. mit. Tag der Überschreitung/Feststellung ist der 02.09., an dem die 3-Monats-Frist beginnt. Sie endet mit Ablauf des 02.12. Ab dem 03.12. gilt die VV-AG als Mittleres Wertpapierinstitut.

COH

Die COH sind ebenfalls jeweils am 1. Geschäftstag eines Monats zu ermitteln. Wählt man die vereinfachte Methode nach Art. 12 IFR (alternativ zum Regelfall nach Art. 20 IFR), bildet man den Durchschnitt aus den täglichen Gesamtwerten am Ende jedes Geschäftstages der jeweils vorangegangenen 3 Monate. Somit kommt auch hier die Feststellung einer Überschreitung nur einmal im Monat in Betracht. Das Datum der Überschreitung/Feststellung ist ebenfalls jeweils der 1. Geschäftstag des Monats.

Was passiert, wenn alle Schwellenwerte wieder unterschritten sind?

Stellt ein Mittleres Wertpapierinstitut fest, dass wieder alle Schwellenwerte unterschritten und damit alle Bedingungen gemäß Art. 12 IFR erfüllt sind, ist die BaFin ebenfalls unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Nach Ablauf einer Frist von 6 Monaten ab dem Datum, an dem alle Bedingungen erfüllt sind, gilt das Institut wieder als Kleines Wertpapierinstitut. Fristberechnung und Bewertung der Schwellenwerte erfolgen wie oben beschrieben. Voraussetzung ist aber, dass während der 6-Monats-Frist keine einzige Überschreitung eines Schwellenwertes eintritt.

Unterschreitung aller Schwellenwerte bei einem Mittleren Wertpapierinstitut

Unstrittig ist dies, wenn das Institut vorher definitiv ein Mittleres Wertpapierinstitut war – entweder schon länger oder ggf. nach vorherigem Ablauf der 3-Monats-Frist.

Beispiel (Fortsetzung von oben)

Die VV-AG ist ab dem 03.12. Mittleres Wertpapierinstitut. Am 02.01. des Folgejahres stellt der Vorstand fest, dass durch Einbeziehung der AUM mit Stand vom 30.12. der Schwellenwert wieder unterschritten wurde, und teilt dies der BaFin noch am gleichen Tag mit. Bewertungszeitpunkt ist der 1. Geschäftstag des Monats, also der 02.01. Dies ist m.E. der Tag, an dem alle Bedingungen erfüllt sind und die 6-Monats-Frist beginnt. Sie endet mit Ablauf des 02.07.

Variante 1: Der Schwellenwert wurde innerhalb des 6-Monats-Zeitraums zu keinem einzigen Bewertungszeitpunkt überschritten. Dann gilt die VV-AG ab dem 03.07. wieder als Kleines Wertpapierinstitut.

Variante 2: Der Schwellenwert wurde innerhalb des 6-Monats-Zeitraums zu einem Bewertungszeitpunkt überschritten. Damit ist der 6-Monats-Zeitraum beendet, die VV-AG bleibt Mittleres Wertpapierinstitut. Bei erneuter Unterschreitung des Schwellenwertes würde ein neuer 6-Monats-Zeitraum beginnen.

Unterschreitung aller Schwellenwerte vor Ablauf einer 3-Monats-Frist

Komplizierter wird es, wenn ein Kleines Wertpapierinstitut innerhalb der 3-Monats-Frist, nach der es zum Mittleren Wertpapierinstitut werden würde, wieder alle Schwellenwerte unterschreitet.

Beispiel (Abwandlung von oben)

Die VV-AG gilt – nach Ablauf der 3-Monats-Frist – ab dem 03.12. als Mittleres Wertpapierinstitut. Bereits am 01.11. stellt der Vorstand fest, dass durch Einbeziehung der AUM mit Stand vom 31.10. der Schwellenwert wieder unterschritten wurde, und teilt dies der BaFin unverzüglich mit.

Die VV-AG gilt trotzdem ab dem 03.12. als Mittleres Wertpapierinstitut. Am 01.11. (also noch während sie Kleines Wertpapierinstitut ist) beginnt die 6-Monats-Frist, nach deren Ablauf die VV-AG ab dem 02.05. des Folgejahres wieder als Kleines Wertpapierinstitut gilt. In der Zwischenzeit ist sie ein Mittleres Wertpapierinstitut. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Hochstufung zum Mittleren Wertpapierinstitut (03.12.) nicht sicher ist, ob die Unterschreitung des Schwellenwertes den gesamten 6-Monats-Zeitraum anhält. Andernfalls würde sie ohnehin Mittleres Wertpapierinstitut bleiben.

Anders könnte es aussehen, wenn es sich beim auslösenden Schwellenwert um einen solchen handelt, der nur einmal im Jahr veränderlich ist (Bilanzsumme, Bruttogesamteinkünfte). Dann wäre schon vor Hochstufung zum Mittleren Wertpapierinstitut sicher, dass nach Ablauf der 6-Monats-Frist wieder eine Herabstufung zum Kleinen Wertpapierinstitut erfolgen wird.

Ein Praxisfall zeigte eine entsprechende Handhabung durch die Aufsichtsbehörden. Dort wurde bereits vor Ablauf der 3-Monats-Frist der Schwellenwert, dessen Überschreitung zur Einstufung als Mittleres Wertpapierinstitut geführt hätte (Bruttogesamteinkünfte), wieder unterschritten (infolge der Feststellung des neuen Jahresabschlusses vor Ablauf der 3-Monats-Frist). Nach entsprechender Absprache mit der Aufsicht wurde die Einstufung als Mittleres Wertpapierinstitut nicht (mehr) vorgenommen, das Institut blieb auch nach Ablauf des 3-Monats-Zeitraums ein Kleines Wertpapierinstitut. Hierbei handelte es sich allerdings um eine Einzelfall-Entscheidung nach Abstimmung mit der BaFin und der Deutschen Bundesbank. Eine möglichst frühzeitige Kommunikation mit der Aufsicht ist in einem solchen Fall also sinnvoll.